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Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging… so beginnt die Weihnachtsgeschichte. Jedes Jahr hören wir diese Worte oder sehen sie gespielt. Wie Maria und Josef unterwegs sind und ein Kind erwarten. Wie sie dann keinen Platz in der Herberge finden, improvisieren müssen und mit einem Stall vorlieb nehmen. Eine Futterkrippe wird zum Himmelbett. Wie dann die Hirten von dem Engel hören „Euch ist heute der Heiland geboren“ und erst mal mächtig Angst bekommen, sich dann aber doch aufmachen, um dieses Kind zu suchen. Das ist der Kern. Ein Neugeborenes mit seinen Eltern und ein paar Hirten. Eigentlich keine große Story. Und doch erzählen wir sie bis heute. Weil diese Nacht Leben verändert.

Man kann kaum in Worte fassen, was da passiert ist. War es der Anblick eines Kindes in einer Futterkrippe, der die Hirten rührte? Ist ihnen aufgegangen, dass Gott in diesem Kind ihr bescheidenes Leben teilt? War es die übersinnliche Begegnung mit den Engeln? So richtig klar wird das nicht. Nur die Wirkung. Fröhlich kehren die Hirten wieder heim in ihren Alltag. Sie priesen und lobten Gott. Sie sind ein bisschen froher. Ein bisschen zuversichtlicher. Etwas weniger ängstlich. Mit schlichten Worten erzählt die Weihnachtsgeschichte, was sein könnte und spricht auch unsere Sehnsucht an: Dass jeder Mensch beachtet wird, sei er noch so klein und unbedeutend. Dass Frieden möglich ist. Dass es Hoffnung gibt, auch wenn es ringsum ganz schön düster aussieht. Dass das Leben sich lohnt, trotz widriger Umstände. Das lässt uns die Geschichte erahnen und wir können uns wieder in ihren Bann ziehen lassen.

Wir sehen ja heute nicht mehr viel von dem, was damals passiert ist. Vielleicht geht es uns aber auch so, wie dem alten Hirten von Bethlehem, von dem folgende Geschichte erzählt: Es gab damals in der Heiligen Nacht auch einen alten Hirten. Er lebte mit auf den Feldern draußen bei den Herden. Er war schon betagt, das Laufen ging nicht mehr so und er brauchte einen Stock. Meist kümmerte er sich um das Feuer. Für andere Arbeiten taugte er nicht mehr. Als die Engel in der Heiligen Nacht den Hirten erschienen, machten diese sich auf nach Bethlehem. Der alte Hirte blieb zurück. „Lauft nur, lauft. Das wird eh nur ein Traum sein“, sagte er. Er blieb am Feuer und sann nach. Und wenn es kein Traum ist? Wenn es das Kind wirklich gibt? Er nahm seinen Stock und humpelte los. Er fand auch den Stall, doch keine Menschen. Der Boden war von Füßen zertrampelt. Im Stall stand eine Futterkrippe, doch kein Kind und keine Eltern weit und breit. Der alte Hirte lachte auf. „Ich habe es ja gewusst. Es ist nur ein Traum!“ Doch da entdeckte er die kleine Kuhle in der Krippe. Das Stroh war eingedrückt. Hier muss tatsächlich etwas gelegen haben.  

Was macht es schon, dass ihn das Kind nicht anlächelt? Was macht es schon, dass er Maria und Josef nicht sieht und den Gesang der Engel nicht hört? Was macht es schon, dass er nicht bei den anderen ist und von dem Kind erzählt? Was in seinem Herzen passierte, dafür gab es keine Worte. Diese kleine Kuhle im Stroh hatte ihn tief berührt. Er war froh, dass er sich auf den Weg gemacht hatte. Ergriffen ging er nach Hause. Er wollte das Feuer wieder anzünden und auf die anderen warten.

Unterwegs vergaß er manchmal seine schmerzenden Beine. Mit dem Stock schlenkerte er fröhlich in die Luft. Er pfiff ein Lied. Und in seinem Herzen machte sich eine unbeschreibliche Freude breit. Nein, das ist kein Traum! Er war froh, dass er sich auf den Weg gemacht hatte.

Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, im Dienst für andere und auch zu Hause.

(Geschichte nach Max Bolliger, aus: Die 100 schönsten Weihnachtsgeschichten, Herder 2008)

Impuls von Pfarrer Olaf Börnert

 

Krippe